Aktuell wird das Klimapaket von Verbänden, Wirtschaft und Wissenschaft intensiv diskutiert und zum Teil scharf kritisiert. Zugleich müssen zahlreiche Punkte des Pakets noch konkret in Gesetzen und Verordnungen umgesetzt werden.
Ungeachtet dessen empfiehlt sich für Energieversorger schon jetzt eine detaillierte Auseinandersetzung mit den Inhalten des Pakets. So werden dort viele Maßnahmen definiert, auf die die Energiewirtschaft sich frühzeitig einstellen sollte.
Ein Klimapaket mit Gesetz und Programm
Am 09. Oktober 2019 hat die Bundesregierung das Klimapaket beschlossen. Die Verbindung aus Klimaschutzgesetz und Klimaschutzprogramm soll künftig sicherstellen, dass Deutschland seine Klimaziele einhält. Das Klimaschutzgesetz sieht dazu verbindliche Klimaschutzziele und Emissionsmengen für jeden CO2-emittierenden Sektor und jedes Jahr zwischen 2020 und 2030 vor. Sofern einzelne Sektoren die vorgegebenen Mengen nicht einhalten, greift ein Korrekturmechanismus, der die verantwortlichen Ministerien zu Gegenmaßnahmen verpflichtet. Zugleich schreibt das Gesetz ausdrücklich das Ziel der Treibhausgaseinsparung bis 2030 von minus 55 % gegenüber 1990 fest und gibt erstmals das Ziel der Treibhausneutralität in Deutschland bis 2050 vor.
Das Klimaschutzprogramm definiert darüber hinaus aufgeschlüsselt nach einzelnen Sektoren konkrete Maßnahmen, die das Erreichen der Klimaziele 2030 sicherstellen sollen. Neben der Einführung eines CO2-Bepreisungssystems im Wärme- und Verkehrssektor sind für Energieversorger vor allem die Maßnahmen in den Bereichen „Energiewirtschaft“, „Gebäude“ und „Verkehr“ relevant. Zahlreiche Maßnahmen sind dabei mit einer deutlichen Ausweitung der Förderkulisse verbunden. So sollen mit dem Energie- und Klimafonds (EKF) und weiteren Maßnahmen bis 2030 immerhin Mittel in dreistelliger Milliardenhöhe bereitgestellt werden.
Anpassungen des Marktrahmens durch Einstieg in die CO2-Bepreisung
Zum Einstieg in die CO2-Bepreisung für den Wärme- und Verkehrssektor soll jenseits des europäischen Zertifikatehandels ab 2021 ein nationales Emissionshandelssystem eingerichtet werden, das die Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brenn- und Kraftstoffe erfasst. Hierzu soll zunächst ein Festpreissystem eingeführt werden, bei dem Zertifikate auf der vorgelagerten Handelsebene an die Unternehmen, die die Heiz- und Kraftstoffe in Verkehr bringen, verkauft werden. Gleichzeitig wird eine Handelsplattform aufgebaut, die eine Auktionierung der Zertifikate und den Handel ermöglicht. Anfänglich wird der Festpreis auf den Wert von 10 Euro je Tonne CO2 gesetzt, der bis 2025 dann schrittweise auf 35 Euro je Tonne steigen soll. Ab dem Jahr 2026 wird eine jährlich sinkende maximale Emissionsmenge festgelegt und eine Auktionierung der Zertifikate in einem Korridor von 35 Euro bis maximal 60 Euro pro Tonne CO2 vorgenommen. Die maximale Korridorgrenze kann in den Folgejahren weiter ansteigen. Die Einnahmen aus dem neuen CO2-Bepreisungsmechanismus sollen zur Entlastung des Strompreises verwendet werden. Dazu wird eine Senkung der EEG-Umlage ab 2021 um 0,25 Cent je Kilowattstunde aufsteigend bis 2023 auf 0,625 Cent angekündigt.
Kritiker bemängeln bei der CO2-Bepreisung vor allem den niedrigen Einstiegspreis, der kurzfristig keine Lenkungswirkung entfalte. Darüber hinaus verpasse man mit der marginalen Entlastung der EEG-Umlage eine umfassende Abgaben- und Umlagenreform zur Reduktion des Strompreises. Dennoch müssen Energieversorger und Verbraucher sich jetzt bei längerfristigen Investitionen z.B. in neue Heizsysteme auf den neuen CO2-Preispfad einstellen und signifikant höhere CO2-Kosten ab Mitte des nächsten Jahrzehnts einkalkulieren. Dies kann auch Rückwirkungen auf die Beratung und Wärmebereitstellung von Stadtwerken haben. So könnte bei der vorgesehenen verstärkten Förderung des Heizungstauschs zeitnah die Kundennachfrage nach neuen Heizsystemen (z.B. Wärmepumpen) deutlich zunehmen. Darauf könnten Stadtwerke mit zusätzlichen Energieberatungsangeboten und im Falle der Wärmepumpe beispielsweise mit eigenen Einbauprämien und einem eigenen Wärmepumpentarif reagieren.
Bekenntnis zum Kohleausstieg
Das Maßnahmenbündel im energiewirtschaftlichen Teil des Klimaprogramms startet mit einem klaren Bekenntnis zum Kohleausstieg und den entsprechenden Empfehlungen der Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung (WSB). So soll eine Reduktion der Braun- und Steinkohlekapazitäten bis 2030 auf insgesamt 17 Gigawatt erfolgen und der Ausstieg spätestens bis 2038 vollzogen sein. Während bei der Stilllegung von Braunkohlekraftwerken auf möglichst einvernehmliche Verhandlungen mit den Kraftwerksbetreibern gesetzt wird, sollen bei Steinkohlekraftwerken über Ausschreibungen Kompensationen vergeben werden, die degressiv absinken.
Hinsichtlich der rechtlichen Umsetzung sollen neben dem bereits vorgelegten Strukturstärkungsgesetz bis Ende November 2019 auch die gesetzlichen Regelungen zum Ausstieg aus der Kohleverstromung und weitere ausstehende Maßnahmen aus den Empfehlungen der WSB-Kommission im Kabinett beschlossen und die Gesetzgebung möglichst bis Ende des Jahres 2019 abgeschlossen werden. Im Hinblick auf die Frage möglicher Kapazitätsmärkte zeigen sich auch die Ausführungen des Klimaschutzprogramms weiterhin äußerst reserviert. So wird neben dem expliziten Verweis auf die bestehenden Reservemechanismen ein externes Gutachten im Auftrag der Bundesregierung zitiert, das im europäischen Stromsystem derzeit 80–90 Gigawatt an Überkapazitäten konstatiert.
Neue Impulse bei Erneuerbaren Energien und KWK
Kommunizierend mit dem schrittweisen Ausstieg aus der Kohleverstromung wird im Klimaschutzprogramm der Ausbau Erneuerbaren Energien als entscheidender Baustein zur Erreichung der Klimaziele bewertet. In diesem Sinne sollen hier neue Impulse gesetzt werden, deren Förderlichkeit allerdings in Teilen hinterfragt werden muss. Grundsätzlich sollen eine bessere regionale Verteilung erreicht und weitere Akzeptanzmaßnahmen, wie z.B. bessere Bedingungen für Mieterstrom geprüft werden. Bei den einzelnen Energieträgern soll im PV-Bereich der 52-GW-Deckel wegfallen und für den Bereich der Windenergie auf See – vorbehaltlich verbindliche Vereinbarungen mit den betroffenen Küstenländern – das Ausbauziel für 2030 von 15 GW auf 20 GW angehoben werden.
Zwiespältig sind vor allem die Maßnahmen zur Windenergie an Land zu bewerten. Auf der einen Seite sollen planungs- und genehmigungsrechtliche Hürden vereinfacht, die Beteiligung von Kommunen und Bürgern gestärkt und ein Regionalisierungsbonus eingeführt werden. Auf der anderen Seite schafft die geplante Festlegung eines 1.000 Meter-Mindestabstands zu reinen und allgemeinen Wohngebieten neue Einschränkungen und massive Verunsicherung. Das gilt auch im Hinblick auf die Frage, welche Bundesländer und auch Kommunen in den nächsten Monaten die Möglichkeit einer gewährten Öffnungsklausel nutzen werden, um niedrigere Mindestabstände festzulegen.
Neben den Erneuerbaren Energien soll die effiziente Erzeugung in KWK- Anlagen verstärkt werden. So soll die KWK-Förderung auch in der öffentlichen Versorgung weiterentwickelt und bis 2030 verlängert werden. Ein wesentliches Ziel dabei ist, an derzeitigen Standorten mit neuen Kraftwerken einen Wechsel von Kohle-KWK zu Gas-KWK zu erreichen. Die dazu notwendigen gesetzlichen Schritte werden im Zusammenhang mit der Umsetzung des Kohleausstiegsgesetzes vorgenommen. Zudem sollen in dieser Legislaturperiode basierend auf dem bereits gestarteten Pilotprogramm „Wärmenetzsysteme 4.0“ über ein erweitertes haushaltbasiertes Förderprogramm zusätzliche Anreize zur Transformation von Bestandswärmenetzen realisiert werden.
Neue Förderkulisse für effiziente Gebäude
Im Gebäude- und Mobilitätsbereich ist eine deutliche Ausweitung der Fördertatbestände geplant. Neben der steuerlichen Förderung der energetischen Gebäudesanierung sowie zusätzlicher Förderungen zum Austausch alter Ölheizungen ist vor allem die neu konzipierte Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) zu nennen. Diese soll ab 2020 die bestehenden Förderprogramme zu einem einzigen umfassenden Angebot bündeln und inhaltlich optimieren. Zudem soll das Programm „Energetische Stadtsanierung“ weiterentwickelt werden, das Maßnahmen zur Energieeffizienz der Gebäude und der Versorgungsinfrastruktur (Wärme/Kälte/Wasser/Abwasser) fördert. Hier ist u. a. im entsprechenden Darlehnsprogramm eine Verdopplung des Tilgungszuschusses bereits zum 4. Quartal 2019 vorgesehen.
Stadtwerke sollten sich die geplante Ausweitung der Förderprogramme genau anschauen. Zusammen mit der Stärkung von KWK-Lösungen, Wärmenetzen und der verstärkten Unterstützung von Energieberatungsleistungen ergeben sich hier z.B. neue Möglichkeiten, ein Angebot im Bereich „effiziente Quartiersentwicklung“ aufzubauen oder das schon vorhandene Engagement in diesem Bereich zu verstärken.
Erweiterte Förderung neuer Mobilitätslösungen
Im Bereich der Mobilität werden ebenfalls sehr konkret neue Maßnahmen definiert. So soll gemäß des für 2030 ausgegebenen Ziels von sieben bis zehn Millionen Elektrofahrzeugen in Deutschland die Kaufprämie ab 2021 für PKW mit Elektro‑, Hybrid- und Brennstoffzellenantrieb verlängert und für Autos unter 40.000 Euro angehoben werden. Ebenfalls soll die abgesenkte Dienstwagensteuer von 0,5 Prozent bis 2030 verlängert für reine E‑Fahrzeuge bis zu einem Kaufpreis von 40.000 Euro sogar auf 0,25 Prozent gesenkt werden. Ergänzend zu diesen Punkten wird auch die Kfz-Steuerbefreiung für E‑Fahrzeuge bis 2025 verlängert und die Steuer insgesamt stärker an den CO2-Emissionen eines Fahrzeugs ausgerichtet. Für die Anschaffung neuer, rein elektrisch betriebener Lieferfahrzeuge mit maximal 7,5 Tonnen soll im Zeitraum von 2020 bis Ende 2030 eine Sonderabschreibungsmöglichkeit von einmalig 50 Prozent der Anschaffungssumme im Anschaffungsjahr definiert werden. Auch der Einsatz von E‑Bussen im öffentlichen Nahverkehr soll verstärkt gefördert werden. Parallel zum Hochlauf der Elektromobilität wird das Ziel ausgegeben, bis 2030 eine Million Ladepunkte in Deutschland aufzubauen. Dazu wird bis 2025 der Ausbau öffentlicher Ladesäulen mit entsprechenden Förderprogrammen unterstützt.
Auch mit diesen Maßnahmen entstehen neue Möglichkeiten für Energieversorger. So kann beispielsweise das Angebot an Dienstleistungen zur E‑Mobilität bei Gewerbekunden erweitert und mit Angeboten eines umfassenden Energiemanagements verknüpft werden. Auf der anderen Seite bietet sich aber auch die Option, in einer Vorbildfunktion die weitere Umstellung des eigenen Fuhrparks samt Ladesäuleninfrastruktur vorzunehmen. Damit verbindet sich die Chance, in der externen Unternehmenskommunikation die Expertise im Bereich neuer Mobilitätslösungen zu unterstreichen und unternehmensintern den Mitarbeitern neue attraktive Angebote zu unterbreiten. So wird die Energiewende als Großprojekt am Ende nur gelingen, wenn jeder in seinem Verantwortungsbereich die vorhandenen Handlungsoptionen bestmöglich nutzt.
Wie kann con|energy unterstützen?
Gerne legen wir von der con|energy unternehmensberatung die Inhalte des Klimapakets im Detail dar und betrachten die Chancen und Risiken der neuen Rahmenbedingungen für einzelne Geschäftsfelder. Dabei berücksichtigen wir auch die laufenden Gesetzgebungsverfahren auf Bundesebene, mit denen die Maßnahmen des Klimapakets derzeit umgesetzt werden.